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Kollegen im Gang

27.08.2018 | Blog Legal Tech: Wie Juristen von der Digitalisierung profitieren

Anwälte meiden soziale Netzwerke, nutzen den PC eher als Schreibmaschinenersatz und verwenden statt des Internets dicke Gesetzbücher, um ihre Fälle zu lösen – diese Vorstellung über den Arbeitsalltag von Juristen herrscht noch in vielen Köpfen vor. Dabei hat die Digitalisierung in Form von „Legal Tech“ längst auch die Rechtsabteilungen in Unternehmen und auch die Arbeit in Law Firms erfasst. Hier einige Beispiele aus der Praxis.

Die Digitalisierung hat um die Rechtsbranche keinesfalls einen Bogen gemacht. Der Begriff „Legal Tech“, der sich aus „Legal Services“ und „Technology“ zusammensetzt, umfasst sämtliche Software und Online-Dienste, die Fachjuristen bei ihrer täglichen Arbeit hilft. Dies betrifft Themen wie Matter Management, Dokumentenmanagement, Legal Spend Analytics, Compliance Management, E-Billing und last but not least Contract Analytics. Immer mehr Kanzleien kooperieren heute mit Technologie-Firmen. Rechtsabteilungen von großen Konzernen arbeiten mit IT-Unternehmen zusammen, um neue Produkte zu entwickeln oder leisten sich selbst immer größere werdende IT-Service Abteilungen,

Anwälte und Fachjuristen haben es in ihrem Arbeitsalltag oftmals mit großen Vertragsmengen zu tun, die sie schnell und unter Zeitdruck bearbeiten müssen. Es kommt darauf an, aus seitenlangen Texten die für sie wesentlichen Klauseln und Datenpunkte zu extrahieren und diese richtig auszulegen. Von IT-Trends wie Big Data Analytics, Content Analyse, Artificial Intelligence und Machine Learning-Verfahren profitieren deshalb Anwälte und Fachjuristen im besonderen Maße.

Folgende drei Beispiele verdeutlichen, wie die Digitalisierung die Arbeit von Rechtstabteilungen vorantreibt:

1.) Due Diligence: Lesen und Analysieren von Verträgen

Besonders bei Due Diligence-Verfahren, wenn Unternehmen zum Verkauf stehen, müssen Anwälte und Juristen große Vertragsmengen wie Arbeitsverträge, Mietverträge oder andere Vereinbarungen durcharbeiten. Je nach Firmengröße können hierbei durchaus mehrere Tausend Verträge zusammenkommen, die geprüft werden müssen. Oft sind es nur wenige Klauseln, Formulierungen oder Schlüsselwörter, auf die es dabei ankommt.

Dank moderner Technologie und Legal Tech Software müssen sich Anwälte heute nicht mehr durch stapelweise Papier durcharbeiten und mühsam jeden Vertrag einzeln prüfen, indem er ausgedruckt und mit Textmarker bearbeitet wird. Verträge, die in Papierform vorliegen, können mittlerweile schnell und einfach digitalisiert werden. Zunächst werden die Verträge gescannt. Damit aus dem eingescannten Vertrag ein lesbarer Text wird, hilft die OCR-Technologie, die in der Lage ist, Text zu erkennen, auch wenn der Vertrag beispielsweise nur als Bild im JPEG- oder TIFF-Format vorliegt. Anschließend werden die Verträge, die nun als lesbares PDF oder Word-Dokument zur Verfügung stehen, in sogenannte virtuelle Datenräume hochgeladen. In diesen Datenräumen können Fachjuristen nun gemeinsam an den Verträgen arbeiten.

Machine Learning-Verfahren helfen dabei, die große Menge an Verträgen zu klassifizieren und sie bestimmten Themen zuzuordnen. Vertragsanalysesoftware wie der Contract Analyzer sind in der Lage, aus diesen Verträgen die relevanten Klauseln oder Schlüsselstellen zu extrahieren und diese dem Anwalt übersichtlich unter Angabe der Bezugsquelle aufzulisten. Das spart dem Juristen das Lesen von seitenlangen Verträgen und hilft ihm auch bei einer ersten Schnellanalyse von Show-Stoppern. Auch beim Durcharbeiten von Standardverträgen, wie beispielsweise Arbeitsverträgen, gewinnt der Anwalt enorm viel Zeit, weil er nicht mehr jeden Vertrag einzeln auf eine bestimmte relevante Klausel hin prüfen muss. Das übernimmt die Software für ihn und listet die Verträge beziehungsweise Klauseln übersichtlich auf. Über die Benutzeroberfläche des Contract Analyzer kann der Anwalt nun die einzelnen Klauseln abhaken, kommentieren oder den Vertrag zur weiteren Prüfung an den Kollegen weiterleiten.

2.) Betrugserkennung: Compliance und E-Discovery

Ob DSGVO, Basel III oder FCPA – Unternehmen müssen jede Menge Compliance-Anforderungen und Richtlinien zum Thema Datenschutz und Datensicherheit erfüllen – ansonsten drohen hohe Strafen. Auch hier kann Legal Tech Software dabei helfen, relevante Inhalte in Verträgen oder Dokumenten zu erkennen und mögliche Schwachstellen aufzudecken. Der iFinder DSGVO hilft zum Beispiel dabei, E-Mail, ERP-, CRM- oder Filesysteme nach personenbezogenen Daten zu durchsuchen, so dass Compliance-Officers, Datenschutzbeauftragte und die zugehörigen IT-Service-Stellen diese schneller und gezielter aufspüren und bei Bedarf löschen können – und auch im Fall eines DSGVO-Auskunftsersuchens innerhalb der 4-Wochen-Frist zeitnah antworten zu können.

Beim Thema E-Discovery geht es darum, bei Betrugsfällen oder Gesetzesverstößen elektronische Beweismittel zu sichern, um sie später vor einem Gerichtsverfahren verwenden zu können. Dabei kann es vorkommen, dass Unternehmensjuristen zum Beispiel tausende Postausgangsfächer und versendete E-Mails auf Unregelmäßigkeiten oder verdächtige Hinweise hin untersuchen müssen. Die Software ist in der Lage, große Mengen an E-Mails eines Konzerns auf bestimmte Stichwörter und auch auf Konzepte hin kognitiv zu durchsuchen und die relevanten Stellen zu markieren. So erhält der Ermittler einen Überblick darüber, an welchen Stellen zum Beispiel sensible Daten ein Unternehmen verlassen haben, was mit intelligenten KI-Verfahren erst möglich wird und weit über klassisches Wort-Erkennen in herkömmlichen Systemen hinausgeht.

3.) Monitoring

Anwälte müssen nicht nur mit großen Vertragsmengen arbeiten, sondern auch Bescheid wissen, sobald es eine Gesetzesänderung gibt. Über solche Updates informieren in der Regel Newsletter von juristischen Fachpublikationen, aber auch bestimmte Online-Portale wie der bundesanzeiger.de. Um in Echtzeit und unabhängig von Newsletter-Redaktionen informiert zu sein, hilft Software wie der Change Analyzer. Der Change Analyzer crawlt externe Datenquellen wie bestimmte Websites und durchsucht sie nach Änderungen. Sobald sich ein Gesetz oder eine Bestimmung geändert hat, wird der Anwalt informiert.

Fazit: Digitalisierung und Legal Tech durchdringt Rechtsabteilungen

„Die Maschine wird den Menschen ersetzen – von vielen Kanzleien wird nichts mehr übrig bleiben.“ So düster, wie die DIE WELT die Zukunft sieht, wird sie nicht sein. Der Anwaltsberuf wird trotz des technologischen Fortschritts und Legal Tech nicht aussterben. Zwar wird besonders bei der Rechtsberatung deutlich, wie sehr die Digitalisierung die Rechtsbranche erfasst hat: Wenn sich Berechnungen fürs Familien- und Erbrecht mittlerweile bequem über spezielle Online-Tools durchführen lassen und Online-Portale für die Erstellung von Mietverträgen und Testamente die nötigen Textbausteine liefern.

Computerprogramme unterstützen bei der Erstellung von Verträgen und auch bei der Recherche von Informationen. Artificial Intelligence und Machine Learning-Verfahren helfen dabei, eine große Menge an Verträgen zu klassifizieren, zu strukturieren und die relevanten Klauseln zu extrahieren. Das allein kann und wird jedoch niemals weder die juristische Beratung noch den Anwaltsberuf per se ersetzen. Die Digitalisierung entlastet Anwälte und Fachjuristen von Standardaufgaben, wie das Lesen von seitenlangen Verträgen, minimiert Risiken, die durch menschliche Fehler passieren und sorgt dafür, dass relevanten Klauseln nicht mehr übersehen werden. Davon profitieren sowohl die Anwälte als auch die Mandanten.

Der Autor

Franz Kögl
Vorstand
Franz Kögl gründete im Jahr 2000 zusammen mit Bernhard Messer die IntraFind Software AG. Gemeinsam entwickelten sie das Unternehmen zu einem etablierten Softwarehersteller für Enterprise Search. Er hält regelmäßig Vorträge und verfasst Fachartikel zu Themen wie Künstlicher Intelligenz, Machine Learning oder Cognitive Search.
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Franz Kögl