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Blick in die Glaskugel

27.10.2020 | Blog KI hat keine magischen Kräfte

Der Hype um Künstliche Intelligenz kennt keine Grenzen. Mit Traumtänzerei lässt sich das Potenzial von KI allerdings nicht ausschöpfen. Stattdessen ist ein nüchterner und pragmatischer Ansatz gefragt, findet IntraFind-Vorstand Franz Kögl.

Der Hype um die Künstliche Intelligenz hat eine Erwartungshaltung geweckt, die eigentlich nur enttäuscht werden kann. Im Gegensatz zu den oft völlig unrealistischen Versprechen, die manche Marketingabteilung in den Raum stellt, ist KI jedoch kein magisches Allheilmittel für jedes nur denkbare Problem. Eine nutzlose Mogelpackung ist sie trotzdem nicht – im Gegenteil: Sie kann dabei helfen, Prozesse zu automatisieren, einen besseren Kundenservice zu bieten oder sogar ganz neue Produkte und Dienstleistungen zu realisieren. Unternehmen, die dieses Potenzial erkennen und für sich nutzen, können den entscheidenden Hebel für mehr Wettbewerbsfähigkeit umlegen.

Wie sehr bei Künstlicher Intelligenz Marketingversprechen und Praxiseinsatz auseinanderklaffen, zeigt eine aktuelle Studie des Branchenverbands Bitkom. Bei Unternehmen, die KI bereits nutzen, übernimmt diese vor allem einfache Aufgaben. So setzen rund zwei Drittel der befragten Firmen KI-Technologien im Marketing für Targeting und personalisierte Werbung ein. Bei 40 Prozent unterstützt KI die automatisierte Buchung von Zahlungen und die Beantwortung von Anfragen oder Reklamationen. Die Betonung liegt auf „unterstützt“. Auf der anderen Seite gehen manche Kunden mit einer völlig überzogenen Erwartungshaltung an KI-Projekte heran, die nie erfüllt werden kann. Ihnen schweben Szenarien vor, wo Künstliche Intelligenz völlig eigenständig Aufgaben übernimmt.

Das könnte daran liegen, dass KI in der Öffentlichkeit zur Zeit noch sehr schwammig wahrgenommen wird: von den mehr oder weniger „schlauen“ Maschinen, die auf eng begrenzten Feldern regelbasiert ihre Aufgaben abarbeiten, bis hin zur Superintelligenz, die irgendwann technisch möglich sein könnte. Viele unterscheiden nicht zwischen dieser sogenannten schwachen und starken KI. Schwache KI-Systeme sind vor allem auf die Erfüllung klar definierter Aufgaben ausgerichtet und funktionieren reaktiv auf einem oberflächlichen Intelligenz-Level. Sie erlangen kein tieferes Verständnis für die Problemlösung – ändern sich die Voraussetzungen, muss das Programm vielmehr neu trainiert oder umprogrammiert werden. Alle derzeit verfügbaren KI-Anwendungen fallen faktisch unter die Kategorie der schwachen KI. Ein starkes KI-System dagegen würde die kognitiven Fähigkeiten von Menschen erreichen oder sogar übertreffen. Es könnte logische Schlussfolgerungen ziehen und sich situativ an veränderte Rahmenbedingungen anpassen, sich Ziele setzen und diese verfolgen. Die Frage, ob starke KI ein eigenes Bewusstsein erlangen kann und welche Rolle Empathie, Selbsterkenntnis, Gedächtnis und Weisheit dabei spielen, bleibt aber weiterhin offen.

Stand heute sind die meisten künstlichen Intelligenzen eigentlich „dumm“, leisten aber auf ihrem Spezialgebiet Erstaunliches. Mit KI ausgestattete Software für Dokumenten- und Vertragsanalyse wird zum Beispiel von Juristen verwendet, um umfangreiche Vertragswerke auf kritische Klauseln zu durchsuchen. Die Analysetools identifizieren Change-of-Control- oder Abtretungsklauseln, Sonderkündigungs- oder Pandemieklauseln, Abtretungsverbote über Haftungsausschlüsse und Mietzwecke, Vertragsstrafen oder Wettbewerbsverbote. Die Software wird damit zur intelligenten Lesehilfe, die sehr schnell kritische Absätze in riesigen Dokumentenbeständen identifiziert, extrahiert und dem Juristen zur gezielten Prüfung und weiteren Bearbeitung vorlegt. Ein anderes Beispiel sind KI-basierte Enterprise Search- und Analyse-Lösungen: Help-Desk-Mitarbeiter werden täglich mit einer Flut von Anfragen konfrontiert und müssen dabei möglichst schnell die richtige Antwort parat haben. Bei dieser Routineaufgabe spielt KI seine Stärke aus und vereinfacht die Arbeit spürbar.

Fakt ist, KI-Systeme versorgen Mitarbeiter mit relevanten Informationen, die sie bei ihrer Arbeit optimal unterstützen. Künstliche Intelligenz augmentiert dabei die Fähigkeiten jedes Einzelnen, entlastet und leistet einen wertvollen Beitrag zur Prozessoptimierung. Mehr aber nicht. Wer akzeptiert, dass KI keine magischen Kräfte hat, ist schon auf dem richtigen Weg. 

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Der Autor

Franz Kögl
Vorstand
Franz Kögl gründete im Jahr 2000 zusammen mit Bernhard Messer die IntraFind Software AG. Gemeinsam entwickelten sie das Unternehmen zu einem etablierten Softwarehersteller für Enterprise Search. Er hält regelmäßig Vorträge und verfasst Fachartikel zu Themen wie Künstlicher Intelligenz, Machine Learning oder Cognitive Search.
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Franz Kögl